Samstag, 30. Juli 2016

Teil 1

Dein Haus.

Ich kann es betreten. Egal zu welcher Uhrzeit. Deine Tür ist immer offen. Für mich. Du hast sie nur angelehnt, weil du weißt, dass ich komme. Und du wartest auf mich. Wenn du nicht Zuhause warst, hast du mir immer einen Zettel geschrieben "bin bei Tante G. , bin um halb 5 Zuhause. Oder kommst du nach?" Du wolltest, dass ich immer bei dir bin. Du hast jeden Tag auf mich gewartet. All die Jahre. Und ich war eigentlich immer bei dir. Immer. Ich liebte es so sehr bei dir zu sein. Deine Nähe. Ich liebte es, dich aufgeregt zu rufen, weil ich es nicht abwarten konnte dich zu sehen und ich liebte deine genauso aufgeregte Antwort, die voller Freude war. Ich rief dich und klingelte Sturm. "Komm schnell, komm schnell. Schneeeeller." DING DONG. DING DONG. DINGDINGDINGDONDONG
Du riefst immer so freudig und aufgeregt "Ich bin unterwegs, schneller geht nicht. Warte, schneller geht niiicht." DINGDINGDONG. und ich hörte dich im Satz schon immer schmunzeln.
Manchmal schlich ich mich an, damit ich dich beobachten konnte. Du bist der schönste Mensch den ich kenne. Ich stand oft da und habe dich beim Schlafen beobachtet oder beim Brot backen oder wenn du einfach nur da saßt. Du hattest immer leichte rote Wangen und immer ein Lächeln auf den Lippen. Du warst zu jeder Zeit vollstens zufrieden. Ich habe dich niemals schimpfen gehört. Niemals hast du dich beklagt oder beschwert. Wenn ich zu dir kam, hast du mich gedrückt und geküsst. Ich erinnere mich, dass es mir oft schwer fiel, am Abend nach Hause zu laufen und dich da zu lassen. Wir redeten den ganzen Tag, manchmal schwiegen wir und ich malte. Oder wir spielten Spiele oder haben irgendeinen Blödsinn zusammen gemacht. Wenn ich dein Haus betreten hatte, fühlte ich mich angekommen. Der vertraute Geruch nach deiner Nivea Creme, die Blumen auf deinem Tisch, das Knistern vom Holz in deinem Kamin, das Kochen vom Wasser für den Tee, der Stoff von deinem weichen Pullover unter meinen Händen und deine weiche Haut an meiner Wange. Ich fühlte pure Liebe, wenn ich zu dir kam. Ich erinnere mich an das breiteste Grinsen, wenn ich bei dir ankam. Wenn ich da war. Wie oft hast du meine Eltern gefragt, wo ich bin, wenn ich einmal nicht da war. Dein Zuhause war mein Zuhause. Manchmal wusste ich besser, wo die Sachen stehen, als du. Ich liebte deine Küche und ich liebte dein weiches, frisches Bett. Mit der Bettwäsche, die Blümchen hat. Die habe ich heute. Ich durfte immer zu dir kommen, wenn meine Eltern krank waren und zur Arbeit mussten. Du hast mir Pudding gekocht und den ganzen Tag mit mir Memory gespielt. Und danach durfte ich in dein Bett, mit der Bettwäsche die Blümchen hatte. Und dann hast du den Raum betreten und dich an die Bettkante gesetzt. Und du wusstest genauso gut wie ich, dass ich meistens gar nicht krank war. Aber hast mir trotzdem Kamillen Tee gekocht. Ihgitt. Im Winter, als ich größter war, habe ich das Holz für dich gehackt und dir von der Scheune in die Küche getragen. Du hast mit mir verstecken gespielt und dich köstlich darüber amüsiert, als du mich in deinem Kleiderschrank gefunden hast. Verstecken spielen habe ich immer geliebt und liebe es sogar heute noch. Manchmal bin ich um dein Haus gerannt und habe an den Hausecken auf dich gewartet und wenn du da angekommen bist, bin ich zur nächsten gerannt. Natürlich dachte ich, du hättest mich nicht gesehen und ich sei die Schlauste vom Planten, denn so würdest du mich nie finden. Aber du hast mich immer gesehen und das Spiel trotzdem eine Stunde mit mir gespielt. So rannten wir immer um dein Haus und ich lachte so sehr, dass ich kaum rennen konnte. Manchmal haben wir in deinem wunderschönen Garten Zelte gebaut und darin das Mittagessen gegessen. Glaub mir, ich liebe dein Haus. Dein Haus bedeutet meine Kindheit. Dein Haus IST meine Kindheit. Aber dich liebe ich noch viel, viel, viel mehr!

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